Montag, 9. November 2009
Eine Gänsehautnacht vor 20 Jahren
Es knisterte ja schon den ganzen Sommer 89. Im Oktober fuhren die elften Klassen unserer Schule traditionell eine Woche in die DDR, so auch dieses Jahr. Die Montagsdemonstrationen waren ja bereits eine feste Veranstaltung zu dem Zeitpunkt. Uns war etwas mulmig zumute und als der Bus an der Grenzanlage zur Passkontrolle anhielt, wurde es nicht gerade besser. Diese Wachtürme, die Scheinwerfer, der Grenzzaun. Das wirkte alles unwirklich und sehr einschüchternd.

Unsere Tour führte uns zunächst in den Harz nach Wernigerode. Ein wunderschönes kleines Örtchen mit netten Fachwerkhäusern und optisch so gar nicht groß anders als seine Nachbardörfer auf der anderen Seite des Brockens. Wir übernachteten in einer schnuckeligen Jugendherberge und fühlten uns eigentlich sehr wohl. Abends haben wir Jugendliche unseres Alters in einem Jugendclub getroffen und uns nett über typische Jugendthemen mit ihnen ausgetauscht, auch hier hatte man den Eindruck gar nicht so unterschiedlich zu sein. Ich bekam von einem sehr netten Typen ein FDJ-Hemd geschenkt.

Weiter ging es auf unserer Tour nach Magdeburg und dann nach Leipzig. Bahnhof, Messe, Völkerschlachtdenkmal. Erstmals auch typische RGW-Architektur. Nicht sonderlich hübsch.

Am Ende der Tour ging es in die Nähe von Dresden. Von hier aus besuchten wir Meißen und natürlich Elbflorenz. Schon damals eine wunderschöne Stadt.

Alles in allem eine beeindruckende Reise und ich bin dankbar, dass ich sie machen konnte und einen kleinen Eindruck der Realität auf der anderen Seite der Mauer gewinnen konnte als die DDR noch existierte.

Nichtsdestotrotz waren wir alle froh als wir wieder in der Bundesrepublik waren. Ein Gefühl der Dankbarkeit für diese Republik, wie ich es wohl nie wieder so intensiv hatte danach.

Auf dem Bundesgrenzschutzsportplatz, auf dem ich damals trainierte, wurden viele Flüchtlinge untergebracht. Es machte einen sehr nachdenklich zu sehen, dass diese Menschen alles, was sie besaßen aufgegeben haben, um im Westen in Freiheit zu leben.

Meine damalige Freundin hatte eine ungarische Mutter und einen Vater der aus der DDR geflohen war. Daher erlebte ich die ganzen Vorgänge in Prag und Ungarn auch sehr intensiv.

Am Abend des 9. November saßen wir auf ihrem Bett und schauten die heute-Sendung. Als die Pressekonferenz von Schabowski gezeigt wurde, schauten wir uns ungläbig an. Es war klar, dass wir die nächsten Stunden den Platz vor dem Fernseher nicht mehr verlassen würden.

Als dann spät am Abend die ersten Bilder von Ostberlinern, die die Mauer passierten, gezeigt wurden, hatte ich Wasser in den Augen und eine ganz enorme Gänsehaut. Mein Magen schlug Saltos und ich hatte eine Glückshormonausschüttung, als hätte ich 10 Pfund Schokolade gegessen.

Ich werde diesen Abend nie vergessen und bekomme noch heute eine Gänsehaut, wenn ich Bilder davon sehe oder daran zurückdenke. Es war unglaublich, Geschichte derart hautnah mitzuerleben und ich bin sehr froh, dass dieses bis dahin ausschließlich ganz furchtbar besetzte Datum in der deutschen Geschichte um so ein wundervolles Ereignis ergänzt wurde.

Danke an alle ehemaligen Bürger der DDR, die bewiesen haben, dass Deutsche auch friedlich Geschichte schreiben können.

Danke auch an die Ungarn, die Tschechen und Slowaken, die einen gehörigen Anteil an diesen Ereignissen hatten.

Hoffentlich werden noch viele Mauern auf so friedliche Weise eingerissen!

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